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W E R T

Die Buchstabenkombination W E R T , die sich auf jeder deutschen Schreibmaschinentastatur oder jedem Computerkeyboard findet, ist symptomatisch für jegliche maschinelle Verarbeitung des alphanumerischen Codes. Egal, ob man die Zeilen eines Liebes- oder eines Geschäftsbriefes tippt, man setzt immer ,,Werte", die in einem bestimmten Sinnkontext zur Entfaltung gelangen.

Die Buchstabenfolge W E R T wird in x- und y-Achse blattfüllend zu einem Text rapportiert. Dieser Text wird um 180 Grad gedreht und nochmals unter den selben Voraussetzungen überschrieben. Über die Konfrontierung des ,,Ausgangswertes" mit seinem ,,Gegenwert" entsteht ein dialogisches Feld diametraler Werte, das als Interferenzmuster in Form eines Wertteppichs zu liegen kommt. Über eine formale Praxis, die der konkreten Poesie entnommen ist, beabsichtigt W E R T eine Thematisierung von InDifferenz-Phänomenen einer Gesellschaft im Zustand ihrer Mediatisierung.

Neben dem formalen Faktum, daß W E R T einer Schreibmaschinen- oder Computertastatur entnommen ist und Bezüge zur maschinellen Datenverarbeitung herstellt, evoziert die Arbeit eine Affinität und/oder Kritik an Nietzsches ,,Umwertung aller Werte". Nietzsche erkannte, daß der moderne Mensch von einem Gesetz der Entfremdung geprägt ist und durch die Wörter, die Sprache, die Maschinen, seine Arbeit etc. von sich selbst getrennt wird. Diese bei Nietzsche angelegte Erkenntnis, in der sich das Gleiche vom Anderen her bestimmt und die Repräsentation sprengt, wird besonders in einer mediatisierten Zeit akut, in der die Vorherrschaft des Identischen in der Repräsentation über Medien immer neuere und schnellere Mutationen feiert. Die sogenannte Postmoderne hat gezeigt, daß die von Nietzsche proklamierte Umwertung der Werte nicht stattgefunden hat. Es hat eine Umwertung stattgefunden, die Indifferenzen als Interferenzen generiert.

Thomas Feuerstein, W E R T, 1991

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